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Schutzfähig, schutzwürdig

Das Urhebergesetz schützt die persönlichen geistigen Schöpfung als Werk. Nicht alles, was vom Menschen erdacht wird, ist unweigerlich schutzwürdig. Damit die Schöpfung geschützt wird, sind einige Voraussetzungen zu erfüllen.

Zunächst muss ein geistiger Inhalt in wahrnehmbarer Form ausgedrückt werden, sei es ein vernünftiger Gedanke oder eine Emotion. Nur, wenn im Inhalt der menschliche Geist zum Vorschein kommt, eine natürliche oder rein zufällige Entstehung also ausgeschlossen ist, ist der Inhalt auch schutzwürdig. Dabei muss das Werk nicht vollendet sein, auch Entwürfe und Werkteile können geschützt werden.

Allerdings muss die Form so weit Gestalt angenommen haben, dass  sich der persönliche Schöpfungsgedanke einem Benutzer (Hörer, Konzertbesucher) offenbart.

Dabei können die Werke flüchtig sein. Auch eine Live-Improvisation auf der Bühne ist schutzwürdig. Eine Körperlichkeit, etwa in Form von Noten oder einer akustischen Aufzeichnung, ist keine Voraussetzung.

Ein wichtiges Stichwort ist die Individualität. Der geistige Inhalt darf nicht allgemeiner Natur sein, sondern er muss originell und eigentümlich sein. Er ist demnach so geschaffen, dass niemand sonst darauf gekommen wäre. Eine geringe Individualität oder Gestaltungshöhe reicht in der Musik häufig aus (siehe kleine Münze).

Ein Werk enthält in der Regel neben der schöpferischen Eigenleistung auch allgemeine Bestandteile. Gemeinfreie Akkordmuster (II-V-I-Kadenz), Tonfolgen (Pentatonik-Reihe), Rhythmen (Backbeat-Betonung) oder Stile (Hardrock, Blues) sind nicht schutzwürdig. Ihr Gebrauch ist ohne Einschränkung erlaubt. Allerdings kann durch die individuelle Formgebung eine schutzwürdige geistige Schöpfung entstehen. Das Werk muss sich irgendwie vom Vorbestand unterscheiden. Rein technische oder handwerkliche Merkmale sind nicht ausreichend.

Um schutzfähiges  geistiges Eigentum von freiem Material abgrenzen zu können, muss das fragliche Muster in einem musikgeschichtlichen Gesamtkontext betrachtet werden. Aus dem Vergleich mit konkreten anderen  Werken, Stilen, Moden, Geschmacksrichtungen und Durchschnittskönnen leitet sich der verfügbare Gestaltungsspielraum ab. Das Material muss nach Erfahrungswerten auf Gemeinfreiheit, handwerkliche Verfahrensweisen und stiltypische Eigenschaften hin untersucht werden. Maßstab für die abgrenzende Beurteilung vorliegender  geistigen Schöpfung ist nach gängiger Rechtsprechung die übliche Musizierpraxis, d. h. der Spielraum für die Entfaltung persönlicher Züge, der einem einigermaßen vertrauten und aufgeschlossenen Verkehrskreis (dem Komponisten/Texter) zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Entstehung zur Verfügung steht. Eingegrenzt wird der Spielraum von der Natur der Sache (z. B. physikalische Begebenheiten, Akustik), Zweckmäßigkeit, Logik oder vorgegebenen Notwendigkeiten. Aus diesen Abwägungen lassen sich das Vorliegen der  geistigen Schöpfung an sich, deren Gestaltungshöhe und der Abstand zu anderen  Werken herleiten.

Nach deutschem Recht sind für die Beurteilung nicht alle Menschen, sondern die „mit literarischen und künstlerischen Werken einigermaßen vertrauten und hierfür aufgeschlossenen Verkehrskreise“ maßgeblich (BGH vom 21.11.1980 - I ZR 106/78; GRUR 1981, 267, 268 – „Dirlada“). Damit sind nicht nur Profimusiker und Musikwissenschaftler, sondern bereits Laien eingeschlossen, die über Grundkenntnisse der Kunstform verfügen (bei Musik: Notenesen, Satzlehre, Harmonielehre, Formlehre usw.). Sie legen den Beurteilungsmaßstab fest. Es besteht ein gewisser Widerspruch darin, dass zwar auf erster Ebene Sachverständige herangezogen werden müssen, um wesentliche Einzelelemente im Verhältnis zu anderen Kusntwerken der Gattung zu ermitteln, welche zu einem Gesamteindruck führen. — In Gerichtsprozessen ist für die Beurteilung der schöpferischen Eigentümlichkeit von Musiksequenzen entsprechend die Sachkunde von Musiksachverständigen heranzuziehen (vgl. BGH vom 16.04.2015 - I ZR 225/12; GRUR 2015, 1189 – „Goldrapper“). — Gleichwohl ist aber der Höreindruck, d. h. die psychoakustische Wahrnehmung für die abschließende Bewertung von Bedeutung. Gerichte entscheiden daher immer auf der zweiten Ebene nach dem Gesamteindruck und behaupten gelegentlich, die genauen Analysen seien nicht notwenig, da nur der Gesamteindruck maßgeblich sei (siehe OLG Hamburg im Goldrapper-Urteil und LG Berlin im Urteil Shirin David vs. Kratwerk). Nach dieser Logik wären Sachverständigengutachten grundsätzlich unnötig. Gerichte verzichten oft voreilig auf Guachten oder missachten sie und verstecken sich unter dem Deckmantel der vertrauten Verkehrskreise, denen sie sich zurechnen.*

Ein schutzfähiges Werk muss weder schön noch hochwertig sein. Der künstlerische oder ästhetische Wert ist subjektiv und wird daher vor dem Gesetz ausgeklammert. Es gibt erkenntnistheoretisch hierzu eben keine objektiven Wertmaßstäbe.

Zeitliche Priorität und Einmaligkeit sind ebenfalls nicht ausschlaggebend. Auf diese Weise ist eine Doppelschöpfung durchaus möglich, während ein Patent im gewerblichen Rechtsschutz zum Prioritätsbeweis angemeldet werden muss. Eine geistige Schöpfung muss hingegen nicht registriert werden. Damit muss ein Werk auch nicht unbedingt neue Ideen enthalten. Neuheit ist kein ausreichendes Kriterium für die Schutzfähigkeit. Dann wären bereits gewürfelte Melodien schutzfähig. Doch Aleatorik setzt keinen menschlichen Geist voraus, der ja die maßgebliche Schutzvoraussetzung ist.

Der Beweis bzw. die Aberkennung der Schutzwürdigkeit spielt eine Rolle bei Rechtsfällen, in denen es um Plagiate, Bearbeitungen, Cover-Versionen oder freie Benutzung geht.

* Vgl. Nicole Fallert. Der Beurteilungsmaßstab der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit. In: GRUR 3/2016, S. 248-250.

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